Über’s Schwimmen

Ein paar Gedanken zum Leben und die Gesellschaft, die mir (wenn wundert’s) beim Schwimmen gekommen sind.

Schwimmen ist leicht … wenn man weiß, wie es geht. Wie so vieles im Leben. Oder eher: Wie alles. Bis etwas leicht ist und auch so aussieht, ist es allerdings oft ein weiter Weg. Bevor es leicht wird, ist es schwer. Der einzige Weg zur Leichtigkeit – und im Falle von Schwimmen: Schwerelosigkeit – ist Dranbleiben. Üben und immer wieder Üben. Immer wieder. Wenn man an Widerstände stößt, bedeutet das nicht, dass es hier nicht weitergeht oder man unfähig ist. Im Gegenteil. Es bedeutet, dass man eine neue Stufe erreicht hat, die es zu überwinden gilt, ohne mit dem Kopf durch die Wand zu gehen. Auf der anderen Seite wartet eine neue Form der Leichtigkeit. Wenn man das einmal verstanden hat, fällt es einem bereits in dem Moment des Widerstands leichter, sich auf das „Danach“ zu freuen und durch den Schmerz hindurch zu gehen.

So wie es im Leben immer Höhen und Tiefen gibt – weil alles im Fluß ist. Und wenn es einmal nicht so gut läuft, ist die Gewissheit, dass es auch wieder besser wird, bereits ein Trost in sich. The darkest hour is just before the dawn. Alles, was man dafür tun muss, ist zu vertrauen, dass alles genau so kommt. Dass der Prozess so abläuft, wie er soll. Dieses Vertrauen lässt einen oben schwimmen, ohne krampfhaft kämpfen zu müssen.

Ich sehe es immer wieder, wenn ich im Schwimmbad meine Bahnen ziehe: Schwimmer, die sich abrackern wie die Irren. Es ist einer der größten Denkfehler beim Schwimmen, dass extrem viel Energie und Anstrengung aufgebracht werden muss, um schnell zu sein. Unerfahrene Schwimmer zappeln wie Fische auf dem Trockenen mit den Beinen und schlagen mit den Armen wie Windmühlen. Das funktioniert vielleicht mal für ein paar hundert Meter. Aber auf einer langen Strecke geht ihnen die Kraft aus, da sie gegen das Wasser kämpfen, statt sich ihm anzupassen und einen Flow zu finden. Sie brennen aus. Die Parallele zum Leben muss ich nicht erklären.

Vielleicht an dieser Stelle nochmal ganz konkret zur Technik des Kraulschwimmens: Man bewegt dabei kaum die Beine. Die vertikale Amplitude der Füße ist minimal – gerade so viel, dass die Beine eben nicht absinken. Der untere bzw. hintere Teil des Körpers ist nicht dafür da, Antrieb zu verleihen, sondern lediglich, um zu stabilisieren. Klar, ein Michael Phelps mit Schuhgröße 48,5 kann da schon etwas herausholen. Ist halt nur nicht jeder Michael Phelps. Das heißt also, es macht viel mehr Sinn, seinen Fokus auf die richtige Wasserlage zu richten, als auf pure Kraftanstrengung.

Oft sehe ich auch Schwimmer, die irgendwelche Tools benutzen. Flossen, Paddel, Pull-Buoys oder auch Schnorchel. Das können alles ganz nützliche Hilfsmittel sein, um sich an die richtige Technik heran zu tasten. Die Widerstände werden kleiner. Es gilt aber zu bedenken, dass man in dem Moment wieder langsamer wird, in dem man diese Hilfsmittel wieder weglässt. Die Widerstände werden wieder größer. Man kommt sich wieder langsamer vor. Ich persönlich finde es immer wieder erheiternd, wenn ich an hochgerüsteten Triathleten vorbeiziehe, die sich für mehrere hundert Euro Schwimm-Ausrüstung zulegen, während ich eine Boardshort und eine 20 Euro Schwimmbrille von Decathlon trage. Das hört sich natürlich jetzt extrem überheblich an. Vor allem, weil nicht jeder – wie ich- das Glück hatte, von den Eltern in den Schwimmverein geschickt worden zu sein und später im Sportstudium nochmal gezeigt zu bekommen, wie Kraulschwimmen richtig geht. Eigentlich ist es eher eine amüsierte Dankbarkeit, die ich empfinde, wenn ich ca. 5 Meter vor der Wende an einem langsameren Schwimmer vorbeiziehe, um ihn so zu überholen. 

Überhaupt: Die Mechaniken und sowohl die geschriebenen als auch die ungeschriebenen Gesetze des Schwimmbads sind nochmal eine Geschichte für sich, aus der sich jede Menge Lehren für das Leben ziehen lassen. Zum Beispiel, dass es nicht viele Regeln braucht, um gut miteinander auszukommen. Die paar, die es gibt, sollten jedoch beachtet werden. Der Rest ist dann einfach nur eine gesunde Mischung guter Selbsteinschätzung und Rücksichtnahme. 

Eine simple Regel: Immer rechts schwimmen. Hört sich extrem banal an, aber haben tatsächlich noch nicht alle (Hobby-)Schwimmer verinnerlicht. Klar kann man auch genau auf einer Bahn für sich immer hin-und her schwimmen. Wenn man alleine im Becken ist. Ist man halt nur meistens nicht. Also lieber immer rechts und so im Kreis schwimmen. Immer schön im Loop bleiben. Eine andere Regel betrifft den Schwimmstil und die damit verbundene Geschwindigkeit bzw welchen Raum der jeweilige Schwimmer damit verbunden einnimmt. Kraulschwimmer sind am Schnellsten und nehmen am wenigsten Platz ein … Rückenschwimmer sind am langsamsten und nehmen am meisten Platz ein. Brustschwimmer sind irgendwas dazwischen. Das bedeutet nicht, dass Rückenschwimmer schlecht sind und keine Daseinsberechtigung haben. Im Gegenteil. Nicht jeder kann perfekt Kraulen und vor allem für ältere Semester ist Rückenschwimmen perfekt, weil – wer hätte es gedacht – gut für den Rücken. Es gilt jedoch zu bedenken, dass die Rückenschwimmer eben auch am Wenigsten wahrnehmen, was um sie herum geschieht, weshalb sie auf die Rücksicht der anderen Schwimmer im Becken angewiesen sind. Brustschwimmer haben hier den Vorteil, am meisten zu sehen, da ihre Blickrichtung nach vorne gerichtet ist. Im Gegensatz zu Kraul, wo der Blick eher zur Seite geht. Auch hier lassen sich wunderschön Parallelen zur Gesellschaft und dem Leben allgemein ziehen. Nicht jede*r ist gleich schnell und/ oder aufmerksam. Manche brauchen mehr Platz und nehmen so mehr Raum ein. Es ist dann an denen, die mehr können, sehen und vielleicht auch fühlen darauf zu achten, dass trotzdem alles in geordneten Bahnen läuft. Eine minimale Einschränkung bedeutet mehr Freiheit für alle und somit dann doch wieder mehr Freiheit für einen selber (I’m looking at you FDP). Freiheit bedeutet eben nicht das starre Verharren auf den eigenen Rechten, sondern ist ein ständiges Neuverhandeln und Anpassen, an das, was gerade so geht. Das funktioniert in manchen Schwimmbädern besser, in anderen schlechter. Wenn es aber mal flowt, macht es für alle richtig Bock.